Alpinausbilder Gletscherkurs
Vom 16. bis 18. September 2022 absolvierten zwei Alpinausbildner-Anwärterinnen und 25 Alpinausbildner-Anwärter unter der professionellen Anleitung von sechs Ausbildnern auf der Wiesbadner Hütte den Alpinausbilder-Gletscherkurs. Die Kursleiter Dr. Bernhard Frei und Mario Mimler zeigten sich am Ende des Kurses mit der enormen Lernkurve der Alpinausbildner-Anwärter sehr zufrieden.
Grau drückten die Wolken durch das Montafon herein. Dicke Tropfen fielen in den schimmernd grün-glänzenden Stausee, als wir auf dem Parkplatz der Wiesbadner Hütte die Anwärter empfiengen und erklärend durch das Programm führten. 54 neugierige Augenpaare hefteten sich auf uns Kursleiter und Ausbildner, die sich wie alte Freunde umarmen und stürmisch begrüßen. Ein umfangreicher Materialcheck bildete den Startpunkt dieses Ausbildungswochenendes. Ausbildner Alexander hatte eine Orientierungsaufgabe für den Aufstieg auf die Hütte vorbereitet. Während des Anstiegs wurden erste Kontakte geknüpft und Bergrettungs-Erlebnisse ausgetauscht. Auf der Hütte angekommen, führten wir durch das bevorstehende Tagesprogramm und erläuterten den didaktischen Aufbau dieses ersten Ausbildungs-Freitag-Nachmittags.
Bei strömendem Regen traversierten wir zu den Ausläufern des Ochsentaler-Gletschers und begannen mit wichtigen Inhalten, wie der Vorbereitung der Gletschertour (Partnercheck, Anseilen, Routenplanung, Marschzahl), Gehen im Eis und dem Standplatzbau. Dicker Nebel erschwerte die Orientierung, wenige trist tropfende Steinmännchen wiesen uns den Weg. Zurück auf der Hütte und nach einem herzhaften Schweinebraten mit Serviettenknödel und Sauerkraut kämpften die sechs Gruppen tapfer in voller Montur mit Gurt und Steigeisen und zusammengekettet mit der Selbstsicherungsschlinge gegeneinander in einem Hindernisparcours. Humor ist hier das Zauberwort, ein kleiner Wettbewerb, der Materialkunde und Teambuilding festigt.
Der Samstag auf dem Ochsentaler-Gletscher widmete sich dem professionellen Lehrauftrag der zukünftigen Ausbildner. Bei starkem Wind, schlechter Sicht und heftigem Schneefall kämpften sich die sechs Gruppen über den Mittelsteig auf den Gletscher. Moderne Hilfsmittel wichen hier Geländekenntnis, Menschenverstand und Orientierungsgabe. Entsprechend zeitlich versetzt erreichten die Gruppen den Gletscherabbruch oberhalb der Felsinsel. In sorgfältig vorbereiteten Lehrauftritten in Kleingruppen bewiesen die Kursteilnehmenden, wie sie einen Heimabend in der Ortsstelle, einen Anwärter- oder Gebietsstellenkurs oder einen Kurs auf Landesebene vorbereiten, wie sie Wissenstransfer maximieren und Lerneffekt nachhaltig sicherstellen werden: Unterteilt in zweimal drei Gruppen erarbeiteten kleine Teams Themenparks, wie, "Selbstrettung mittels Prusik- und Münchhausentechnik", "Kameradenrettung mit Seilrollenflaschenzug und Seilrolle" und "Eisparcours“.
Das zunehmend schlechter werdende Wetter und der hart peitschende Wind zwang uns, die Feedbackrunde über Rhetorik und Didaktik in der Hütte durchzuführen. Die roten Jacken von einer weissen Eisschicht bedeckt, die Helme und Halstücher tief ins Gesicht gezogen, die Augenbrauen vereist und zitternd vor Kälte erreichten wir spät nachmittags die Hütte. Begleitet von einem straffen Zeitplan bewerteten alle Teilnehmenden Station um Station und ließen sich von den jeweiligen Pendants ihre Demonstrationstechnik, den Aufbau der Station und die Details der Rettungstechnik dazu erklären. Im Mittelpunkt stand dabei das zu erarbeitende Thema und die passende Platzwahl einerseits, sowie die Präsentation und die Wissensvermittlung andererseits; eben jene Arbeitsschritte, die die angehenden Lehrenden in ihrer zukünftigen Tätigkeit stets begleiten werden. Bei den Fragerunden wurden dennoch technische Detailfragen mitunter leidenschaftlich diskutiert, erörtert, erklärt, verworfen.
Die nachfolgende Diskussion über deren Verwendbarkeit in der Ortsstelle im Speziellen und in der Vorarlberger Bergrettung im Allgemeinen unterstrich den großen Lernfortschritt, den die Ausbilder-Anwärter seit Beginn ihrer Ausbildung bereits hinter sich gelassen hatten und wie sehr sie sich bereits in ihrer Rolle als verantwortungsvolle Lenker in Sachen Materialkunde und Ausbildungsdidaktik wohl fühlten. Erneut schlüpften wir in die tropfnassen Einsatzkleider, verließen die warme Hütte in das kalte windige Naß da Draußen und übten bewährte und neue Techniken der organisierten Rettung. Vor dem Abendessen folgte noch ein intensiver Einschub zum Thema Orientierung. Marschzahl und Zugangsmöglichkeiten auf die Sonntagsziele wurden sorgfältig abgewogen und berechnet, diskutiert und angepasst.
Eine letzte Übung dieses Abends unterstrich die Wichtigkeit der klaren Kommunikation unter Bergrettungsmitgliedern im Einsatzfalle, über Funk und ohne Blickkontakt. Rücken an Rücken erklärten die Anwärter sich gegenseitig die Grundknoten, ohne den Namen des Knotens selbst nennen zu dürfen. Ohrenbetäubender Lärm, Hitze und schlechtes Licht simulierten den Einsatzfall, als sich 27 Bergretter versuchten, ohne Blickkontakt Knoten zu erklären. Die teilnehmenden Bergretter zeigten sich beeindruckt von der Wirklichkeitsnähe dieser Übung zum realen Einsatz in der Praxis. Da der Wetterbericht für den Sonntag ein noch garstigeres Wetter ankündigte, verdichteten wir in einer Feedbackrunde drei Themen, die die Ausbildner über Nacht vorbereiteten.
Nach dem Frühstück teilten wir uns in die Themen „Anwärterkurs-Planung“, „Moderne technische Hilfsmittel in der Rettungstechnik“ und „Tourenplanung, Wetter, Orientierung“ auf. So arbeiteten sich die Anwärter im Detail unter fachkundiger Anleitung durch die Rolle und Aufgaben eines Kursleiters und lernten so, welche Inhalte zu welcher Zeit vorbereitet und welche Unterstützung von der Landesleitung und Hilfsmittel von der Wissensbox verfügbar sind. Minitraction, Tibloc, Reverso als alternative Hilfsmittel zu Münchhausen-Technik und Selbstseilrolle wurden ebenso kritisch diskutiert, wie der Einsatz von Maestro und Clutch beim Mannschaftszug. Effiziente und sichere Tourenplanung unter ständiger Beobachtung der Wetterphänomene, sowie die Beherrschung einer sicheren Orientierung – auch ohne technische Hilfsmittel – wurden nicht zuletzt auf Grund der Erfahrungen des letzten Wochenendes präsentiert und fachmännisch reflektiert.
Nach einer abschließenden Feedback-Runde und einem herzhaften Schnitzel machten sich alle Teilnehmer auf die Heimreise. Sie freuen sich schon auf ein Wiedersehen im nächsten Jahr beim Winterkurs im kleinen Walsertal.
Dr. Bernhard Frei
Kursleiter