Basisausbildung Gletscherkurs III

Es ist bereits Mitte September, es sind nur noch wenige Leute unterwegs und die Sonne taucht die Bergwelt bereits in dieses ganz besondere Licht. Somit die ideale Jahreszeit für den 2,5-tägigen Gletscherkurs, in der traumhaften Kulisse der Silvretta, dem sich rund 20 Bergrettungs-Anwärter stellten.

Nach dem Eingangs-Coronatest, gab es eine Begrüßung von den beiden Kursleitern Florian und Dieter und dem Ausbildnerteam, bevor die Gruppen eingeteilt wurden.

Der Aufstieg zum Ausbildungsstützpunkt, der Wiesbadener Hütte, führte bei Sonnenschein entlang des türkisen Stausees bis ins Ochsental, von wo aus bald schon der gleichnamige Gletscher und sein prominentester Gipfel, der Piz Buin, zu sehen war.

An der Hütte angekommen, gab es noch einen Materialcheck und das Briefing für den nächsten Tag, bevor uns die Kursleiter die verschiedenen Referate und Bereiche der Bergrettung mit ihren Aufgabengebieten näherbrachten. Vom Alpinausbildner, über Alpinsanitäter, bis hin zum Flugretter sind die Spezialgebiete vielfältig, aber erfordern nochmals mehr Engagement und Fachexpertise von jedem Einzelnen. Einige hatten schon konkrete Pläne, wie es für sie weitergehen sollte, andere überlegten dies bei einem Glas Wein und zogen eine Bewerbung bei der Fernsehserie «Die Bergretter» als zweites Standbein durchaus in Betracht.

Der zweite Tag brach an und gerade als wir die ins Morgenrot getauchten Gipfel bewunderten, hörten wir ein lautes Krachen aus Richtung Gletscher und sahen eine Eislawine, die mehrere Kubikmeter Gletscher an den Wandfuß beförderte. Durch den fortschreitenden Gletscherrückgang ist im Laufe der Jahre ein Hängegletscher entstanden, der durch die kontinuierliche Fließbewegung des Eises irgendwann an den Steilabbrüchen der Schwerkraft zum Opfer fällt.

Es gibt verschiedene Wege auf den Ochsentaler Gletscher, der am häufigsten begangene führt dabei über die Schuttflanke im Westen, die meisten wählten jedoch die mittige Felsstufe als Zustiegsoption. Aber bekanntlich führen viele Wege nach Rom und so war es irgendwann an der Zeit Steigeisen anzulegen und die Pickel zu schwingen. Da die Grundtechniken des Gehens mit Steigeisen eine der wichtigsten Fähigkeiten beim Begehen von Gletschern und Firnfeldern ist, wurde dies intensiv geübt. Die Anwärter tasteten sich an immer steilere Passagen hin und so wuchs das Vertrauen in Material und Eigenkönnen, bis irgendwann in 50° steilem Gelände die Frage zu Rückzugs- und Sicherungsmöglichkeiten aufkam.

Verankerungen wurden gepickelt, gegraben, gebohrt, geschraubt und diese dann im anschließend natürlich auch als Fixpunkte für die Spaltenrettung verwendet. Zu Beginn wurde man langsam in die tiefen Gletscherspalten abgelassen, später wurde unter gesicherten Bedingungen versucht einen simulierten Spaltensturz zu halten. Manche wollten es genau wissen und stellten sich der Herausforderung alleine einen Sturz in der Zweierseilschaft zu halten, allerdings mit den anspruchsvollsten Bedingungen, die man sich vorstellen kann. Die Ergebnisse waren lehrreich und beeindruckend, insbesondere die Erkenntnis, dass es physikalisch möglich ist, den durchschnittlichen Bergrettungsanwärter in rund 0,3 Sekunden auf Lichtgeschwindigkeit zu katapultieren. 

Unter realistischeren Bedingungen sah das Ergebnis ganz anders aus, jedoch nur, wenn die Fähigkeiten im Halten von Stürzen trainiert werden. Rutschübungen auf Firn, mit den verschiedenen Strategien und Techniken zeigten Möglichkeiten im Sturzfall auf, aber auch Grenzen, weswegen man schon im Vorfeld diese Situation mit geeigneten Sicherungsmethoden vermeiden sollte.

Nachdem jede einzelne Spalte auf dem Gletscher von innen begutachtet war, ging es langsam auf den Rückweg. Ein Anwärter untersuchte hierbei noch die zwischenmolekularen Bindungskräfte von Schneepodesten über wassergefüllten Gletscherspalten, mit einem für ihn doch überraschenden Ergebnis…

Nachdem alle satt (und trocken) waren, hieß es nochmals draußen antreten mit Bergschuhen und Steigeisen, denn es gab noch ein Spiel, das koordinative wie auch kommunikative Anforderungen an die Teilnehmer stellte. In Fünfer-Teams musste auf Steigeisen ein sechs Meter langer Parcours durchlaufen werden. Die Schwierigkeit bestand darin, dass auf dem Boden ein Kletterseil kreuz und quer verteilt war, welches man nicht berühren durfte. Damit es auch nicht zu leicht wurde, mussten sich alle fünf Anwärter an den Händen halten und einem aus der Gruppe wurden die Augen verbunden. Klare, kurze Kommandos und auch etwas Gleichgewichtssinn waren hier der Schlüssel zum Erfolg.

Kurz, präzise, unmissverständlich, so müssen Informationen übermittelt werden, vor allem in Stresssituationen. Im zweiten Spiel bekam man gnadenlos vor Augen gehalten, wie kompliziert so etwas sein kann. Ein Teammitglied musste aus einzelnen Papierschnipseln ein Gesamtbild nachbauen, bekam aber die Informationen dazu, nur von einem weiteren Teammitglied beschrieben, welches die Informationen ebenfalls nur verbal erklärt bekam. Picasso wäre neidisch geworden über die Ergebnisse, jedoch hatten diese bei den allermeisten überhaupt nichts mit dem ursprünglichen Gesamtbild zu tun... Überträgt man dieses Beispiel auf eine Funkkommunikation, wird man sich der Wichtigkeit der Kommunikation noch mehr bewusst.

Das Wetter hatte es bisher gut mit uns gemeint und das sollte vorerst auch so bleiben. Am Morgen schwärmten alle in andere Richtungen aus und es wurden Gipfel bestiegen, ein verunglückter Klettersteiggeher gerettet und steile Firnflanken erklommen, um das Gelernte zu wiederholen und weiter zu festigen. Genau mit dem einsetzenden Regen waren alle wieder zurück in der Hütte und es gab das wohlverdiente Abschlussessen, bei dem die Erlebnisse des Tages ausgetauscht wurden und dabei auch neue Tourenideen mit den neu gewonnenen Tourenpartnern entstanden. Dann war es so weit, Dieter und Florian verkündeten die positive Bilanz und alle durften sich freuen. Die gute Vorbereitung auf das Wochenende hatte sich für alle Anwärter bezahlt gemacht und alle konnten den Grundkurs Gletscher erfolgreich abschließen und sind somit dem Ziel „Bergretter“ ein Stück näher.

Für uns Anwärter war es wieder die perfekte Mischung zwischen Ausbildung, Abenteuer und Kameradschaft, die uns die Kursleiter und die motivierten Ausbildner an diesem Wochenende wieder boten. Genau dieser Einsatz macht es auch aus, dass man gerne seine Freizeit nutzt, um in dieser angenehmen Atmosphäre von den Erfahrenen zu lernen.

Nochmals vielen Dank an die Kursleitung und die Ausbildner für den Einsatz, die Kreativität und das Engagement im Namen aller Anwärter.

Christian Häuser
Bergrettung Feldkirch Frastanz

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