Alpinausbildner Winterkurs im Kleinen Walsertal
Vom 18. bis 20. Jänner 2019 absolvierten zwei Ausbildner-Anwärterinnen und 18 Ausbildner-Anwärter unter der professionellen Anleitung von fünf Ausbildnern den Alpinausbildner-Winterkurs des österreichischen Bergrettungsdienstes, Land Vorarlberg. Die Kursleiter Dr. Bernhard Frei und Ing. Daniel Tschol zeigen sich am Ende des Kurses mit der enormen Lernkurve der Alpinausbildner-Anwärter sehr zufrieden.
Die Schneemassen am Straßenrand werden immer höher. Nach etlichen Stunden Autofahrt von Bern und Wien, von frühlingshaften 10°Celsius mitten in den Winter. Es dunkelt schon ein, als wir das Kleine Walsertal erreichen und Quartier beziehen. Im Tal herrscht noch reger Betrieb, bunt gekleidete Menschen wackeln auf ihren Skischuhen einem kühlen Bier, der beheizten Après-Ski-Bar oder einer noch heißeren Badewanne entgegen. Unsere Arbeit beginnt erst jetzt: Es gibt noch so viel zu planen und zu organisieren. Am Samstag wäre das Wetter ideal für den Hubschrauber, aber da findet der Weiße Ring in Lech statt, also keine Chance auf einen Hubschrauber. Dann bleibt nur der Sonntag für die große Lawineneinsatzübung; bei noch unsicheren Wetterprognosen. So graben wir uns durch das Programm und füllen die vielen Fragezeichen mit Antworten auf, bevor wir zeitig in die Federn kriechen.
Es ist noch stockdunkel, als wir frierend vor der Hütte stehen, um die Bergrettungsfahrzeuge voll mit lieb gewonnenen Gesichtern willkommen zu heißen. Die Koordination des Tagesprogramms läuft routiniert und präzise, die Gruppe kennt sich schon und weiß, was von ihr verlangt wird. Keine dreißig Minuten später sind die Zimmer bezogen, die Betten angezogen, die Ersatzwäsche eingeräumt und alle schon auf der Skipiste vor der Hütte. Die Gruppen sind eingeteilt, die Aufgaben verteilt und das notwendige Material zugeteilt. Wie von selbst teilt sich die Mannschaft auf, baut ihre Stationen auf und beginnt Details zu diskutieren und Varianten zu optimieren, Vortragsart zu bestimmen und Ablauf zu trimmen. Vor dem Mittagessen sind schon die ersten zwei Stationen mit Tiefenverschüttung und Lawinenschaufel-Förderband durchgearbeitet. Einmal mehr zeigt sich, dass aus der bunten Gruppe vom vergangenen Frühling eine geschlossen und präzise funktionierende Maschinerie geworden ist, lauter Expertinnen und Experten in ihrem Fach. Die Vorträge und Beschreibungen sind kurz und präzise, unterhaltsam und bis ins Detail ausgeleuchtet.
Nach einem saftigen Schnitzel mit Pommes Frites und bei bestem Kaiserwetter spulen wir gemeinsam die weiteren Stationen ab: üben das Markieren von Mehrfach-Verschüttung, zeigen den Einfluss von Mobilfunkgeräten und Blechschaufeln auf die Sendeleistung von Lawinenverschütteten-Suchgeräten und spielen einen ersten Lawineneinsatz durch. Als Kursleiter könnte man nicht glücklicher sein: überall freundlich lächelnde Gesichter, konzentriertes Zusammenarbeiten und aufmerksames Zuhören. Auf der einen Seite höfliche Kritik, auf der anderen Seite ehrliche Dankbarkeit für die wertvollen Hinweise. Der Abschluss fällt in die hereinbrechende Dämmerung. Alle Teilnehmenden rennen mit Tourenski und Fellen, aber ohne Skistöcke, einen Parkour ab; mit Spitzkehren, Bodenwellen und Schikanen. Die schnellsten drei werden am Abend prämiert.
Nach einem Berg Fleisch mit etwas Beilage übt Samuel Riezler mit uns am Abend nochmals das Evakuierungs-Set des Hubschraubers durch, damit am Sonntag beim Shutteln am Bergetau alles reibungslos läuft. Elisa Walch präsentiert uns die aktuellste Version der Stop-or-Go Methode des Österreichischen Alpenvereins. Der abgedunkelte Raum und die wollige Wärme, den ganzen Tag an der frischen Luft und die lange Anfahrt fordert ihren ersten Tribut. Da und dort werden die Augenlider schwer und die Köpfe noch viel mehr.
Der Samstagmorgen zeigt sich von seiner prächtigsten Seite: die Berge erstrahlen in den schönsten Farben, die Sonne steigt blutrot über den imposanten Gipfeln empor. Die Gruppen üben sich in Tourenplanung und Spuranlage, erkunden die Bergwelt zwischen Bregenzerwald und Walsertal und genießen traumhafte Abfahrten über glitzernde Hänge und durch sanft schaukelnde Wälder. Pünktlich um halb zwei trifft sich die ganze Mannschaft und verschiebt Richtung Mittelberg, um im Dorf-eigenen Übungs-Parcours eine Tiefenverschüttung-Situation zu üben. Die Kursleitung bereitet inzwischen die Lawinenübung vor und gräbt unter dem Hohen Ifen unzählige Löcher in den weißen Schnee, um darin Matten und Lawinenverschütteten-Suchgeräte am nächsten Tag vergraben zu können. Fast werden wir wieder zu einem Einsatz abberufen, wie in den zwei letzten Kursen auch schon. Die Meldung, dass im Kanonenrohr ein australischer Skifahrer in eine der großen Spalten gefallen sei, erweist sich bald als Falschmeldung. So kehren alle zusammengezogenen Kräfte wieder an ihre ursprüngliche Aufgabe zurück.
Im Übungs-Parcours zeigt sich eindrücklich, was zwanzig kräftige Bergretter in kurzer Zeit zu schaffen vermögen: Ein unter vier Meter Tiefe vergrabenes Lawinenverschütteten-Suchgerät, der Schnee darüber platt gewalzt und komprimiert mit einem Pistenbully, ausgegraben in nur 16 Minuten. Après-Ski an der Schirmbar ist die verdiente Belohnung dafür. Nach Hubschrauber- und Mama-Lauda-Songs schaffen es dennoch alle pünktlich zum Abendessen und zur Preisverteilung des Tourenski-Parcours. Die Kleinwalsertaler haben als besondere Überraschung einen Hüttenabend in der Auenhütte für uns vorbereitet. So wird die Nacht eine kurze und die Tagwacht um halb sechs eine etwas zögerliche. Das Frühstück verläuft entsprechend ruhig, auch weil die Semmel erst um sieben geliefert werden. Um halb acht stehen alle schon auf dem Berg und organisieren sich selbstständig in den Rollen der bevorstehenden Lawinenrettungs-Übung.
Gallus-1 shuttelt immer drei Bergretter gleichzeitig am Bergetau zum Übungs-Lawinenkegel. Der Platzkommandant führt ruhig und präzise Gruppe für Gruppe in den Lawinenkegel, verteilt die Aufgaben und arbeitet die einzelnen Phasen konzentriert und vollständig ab. Nach nur 90 Minuten sind ein Teilverschütteter, sechs Totalverschüttungen mit Lawinenverschütteten-Suchgeräten und vier Wanderer ohne Lawinenverschütteten-Suchgeräte ausgegraben, triagiert, Notfall-versorgt und abtransportiert.
Bibbernd vor Kälte lauschen dennoch alle anschließend Samuel Riezlers Ausführungen zu Schneeprofil, Kristallformen und Schneesituationen. Die letzten Minuten vor dem Mittagessen lassen sich die meisten nicht nehmen und nutzen die idealen Verhältnisse für ein paar letzte Schwünge im Kleinen Walsertal. Beim dritten Schnitzel mit Pommes Frites an diesem Wochenende dämmert schon der Abschied über der Gruppe, Adressen und Telefonnummern werden ausgetauscht und gemeinsame Co-Ausbildner-Einsätze geplant.
Die Kursleiter bedanken sich bei der Mannschaft und der Landesleitung für die einmalige Gelegenheit, einen Jahrgang durch alle drei Bergrettungskurse begleiten zu dürfen. Wir haben die Chance genutzt und eine schlagkräftige, bestens ausgebildete und motivierte Ausbildner-Gruppe geformt, die sich freut, ihre Ausbildung und Erfahrung in die Ortsgruppen bringen zu dürfen. Wir könnten stolzer nicht sein!
Bericht. Dr. Bernhard Frei